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Redaktion 4.9
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Prince of Lies
- Forgotten Realms

James Lowders Roman "Prince of Lies" gehört zu den ungewöhnlicheren Forgotten Realms Romanen, und zwar aus einer Reihe von Gründen. Zunächst ist die Thematik an sich schon außergewöhnlich, denn die Handlung dreht sich nicht um einen sterblichen Helden oder eine Gruppe von Abenteurern, wie man es aus den Vergessenen Reichen schon gewöhnt wäre. Auch die Ikonen der Reiche, sprich alte Bekannte wie Elminster, Khelben oder Drizzt Do?Urden, haben in "Prince of Lies" keinen einzigen Auftritt. Stattdessen übernimmt der böse Gott Cyric die Rolle des Protagonisten in dem 376 Seiten umfassenden Roman.
Cyric ist einer der jüngsten Götter des Pantheons der Vergessenen Reiche und gleichzeitig einer der mächtigsten: Er ist Herr des Mordes, der Toten, der Zwietracht, der Lügen und der Täuschung. Dennoch hat Cyric seine Göttlichkeit erst zehn Jahre vor dem Beginn der Handlung erlangt - nämlich im fulminanten Finale der Avatar-Trilogie (siehe auch meine Rezensionen zu den Romanen "Shadowdale", "Tantras" und "Waterdeep").
Dieser kurze Weg zu scheinbar grenzenloser Macht ist dem Prinz der Lügen nun offensichtlich zu Kopf gestiegen, denn er ist überzeugt, dass er in der Lage ist, sich alle anderen Götter untertan machen zu können. Um die Verfolgung dieses ehrgeizigen Plans dreht sich die Handlung von "Prince of Lies", was nur auf den ersten Blick ein wenig simpel wirkt.
Cyric hat einen geradezu teuflischen Plan entwickelt, um eben dieses Ziel zu erreichen: Mit aller Macht versucht er, ein magisches Buch zu erschaffen - das Cyrinishad. Die Magie dieses Folianten soll alle in ihren Bann ziehen, die es lesen oder seine Botschaft hören - und diese Botschaft beinhaltet natürlich hauptsächlich, dass Cyric der einzige Gott ist, der Anbetung verdient hat.
Als Höhere Macht sollte es natürlich kein Problem für den Prinz der Lügen sein, dieses Buch zu erschaffen. Ganz so einfach ist es jedoch nicht: Die anderen Götter haben von Cyrics Plänen erfahren und versuchen, ihn nun daran zu hindern, sein finsteres Credo der Lügen fertigzustellen. Besonders Mystra, die Göttin der Magie, eine alte Rivalin Cyrics, untergräbt die Bemühungen des dunklen Gottes dadurch, dass sie ihm die Magie verwehrt, die er benötigt, um das Cyrinishad selbst zu schreiben. So bleibt ihm nichts anderes übrig, als sich an seine sterblichen Anhänger zu wenden.
Mystra und andere gute Götter, die sich dem Prinzen der Lügen entgegenstellen, versuchen nun mit all ihrem göttlichen Einfluss, die Erschaffung des Cyrinishad abzuwenden. Doch schon bald sehen alle Beteiligten, dass sich auch Götter an bestimmte Regeln halten müssen - Regeln, die sie enger binden als jegliches sterbliche Gesetz.
Die Götter schließen Allianzen und brechen diese wieder, schmieden Intrigen und vielschichtige Pläne, und immer wieder bringt James Lowder Wendungen in die Geschichte ein, die es fast unmöglich machen, das Buch zur Seite zu legen.

Sowohl Cyric als auch Mystra agieren in einer eigenen Erzählebene, in der beide Götter jeweils sehr intensiv und interessant gezeichnet werden. Der Leser kann sich mit beiden Figuren identifizieren und wünscht auf die eine oder andere Weise beiden den Erfolg.
Neben dieser Erzählebene gibt es noch zwei weitere, die von großer Bedeutung für die Geschichte sind: Einerseits erzählt Lowder die Geschichte von Rinda, einer einfacheren Schreiberin aus der Stadt Zhentilfeste, die von Cyric gezwungen wird, das Cyrinishad zu schreiben. Doch auch seine Gegner spannen Rinda für ihre persönlichen Ziele ein.
Anstatt Rinda aber zum unwichtigen Nebencharakter zu degradieren, schafft James Lowder es auch bei ihr, eine gewisse Betroffenheit herzustellen: Man fiebert mit der Schreiberin mit, wenn es gefährlich wird, und ärgert sich mit ihr darüber, dass die Götter sie nur als Werkzeug benutzen, um ihre eigenen Ziele zu erreichen.
Der zweite wichtige "Nebendarsteller" ist Gwydion, ein ehemaliger Ritter der Purpurdrachen von Cormyr und gegenwärtiger Söldner, der gleich im ersten Kapitel von Cyric durch eine listige Täuschung in ein eisiges Grab gelockt wird. Mit seinem zeitigen Ableben beginnt das Abenteuer für Gwydion jedoch erst richtig: Er findet sich in der Stadt der Toten, Cyrics Domäne, wieder, wo er zum Spielball der Götter wird und schließlich im epischen Finale des Romans eine wichtige Rolle spielt.

Fazit
Es ist ausgesprochen schwer, die Handlung von "Prince of Lies" kurz und bündig darzustellen (abgesehen davon wäre es eine Gemeinheit, mehr über die Story zu verraten, als schon geschehen). James Lowder erzählt eine epische Geschichte von Göttern und Sterblichen, von Intrigen, Verrat, Liebe und Hass. Die komplexe Storyline entwickelt sich über das gesamte Buch hinweg auf mehreren scheinbar unabhängigen Erzählebenen, die am Ende aber alle zusammenführen und schließlich in einem genialen Finale geradezu explodieren.
Lowder schafft es, dass sich der Leser mit allen vier wichtigen Charakteren - nämlich Cyric, Mystra, Rinda und Gwydion - identifiziert, und selbst die tatsächlich eher unwichtigen Charaktere, die in Prince of Lies vorkommen, sind keine seelenlosen Statisten.
Die Atmosphäre, die über den gesamten Roman hinweg aufrechten erhalten wird, ist düster, bedrückend und verdichtet sich stellenweise so stark, dass man sich ihr kaum entziehen kann.
Auch wissensdurstige Spieler und Spielleiter kommen bei "Prince of Lies" voll auf ihre Kosten: Kaum ein Roman beschreibt Ereignisse, die die Reiche derart in Aufruhr versetzten wie die hier geschilderten (was allerdings erst am Ende des Romans richtig klar wird).
Insgesamt kann ich "Prince of Lies" nur uneingeschränkt empfehlen. Ernsthafte Kritikpunkte kann ich beim besten Willen nicht finden - aber, um den ewigen Kritikern die Worte aus dem Mund zu nehmen: Eine etwas hochwertigere Aufmachung als die typische amerikanische Massmarket Taschenbuchbindung hätte ein solcher Roman auf jeden Fall verdient.

Hinweis:
"Prince of Lies" ist nur auf Englisch erhältlich und wird voraussichtlich nicht auf Deutsch erscheinen - zumindest lagen mir bis zur Vollendung dieser Rezension keine entsprechend anders lautenden Informationen vor. Das Sprachniveau ist mittel, man sollte also ein anständiges Schulenglisch mitbringen, um in den Genuss dieses Werks zu kommen.



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  • Kurzübersicht

  • Verlag: Wizards of the Coast

  • Autor: James Lowder

  • Umfang: Taschenbuch

  • Veröffentlichungsdatum: August 1993

  • Preis: 7,18 EURO

  • Produktübersicht für Wizards of the Coast

  • Forgotten Realms
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  • © Stephan Schobloch



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    Letzte Änderung: 31.1.2002