Farses
Botschaften aus Landoria

"Herr, wir brauchen das Korn! Wie sollen wir unsere Sklaven ernähren? Wenn die Beziehungen zu Etraecea noch schlechter werden und der Kornpreis weiter in die Höhe steigt, wird es Schwierigkeiten geben!" Es waren derzeit werder Botschschafter noch Gesandte zugegen, einzig ein Haufen eitler, niederer Höflinge. Sie hatten sich bisher mit herablassendem Desinteresse an den brachialen Sandsteinsäulen der Thronhalle angelehnt unterhalten, doch nun erstarben ihre zischelnd gedämpften Stimmen. Es breitete sich eine drückende Stille aus, nur unterbrochen vom Rascheln des Palmfächers, mit dessen Hilfe zwei Sklaven versuchten, die unerbittliche Hitze des Saales zu vertreiben, doch auch sie verharrten schließlich gebannt. Grelles Licht fiel in Balken durch den Lichthof ein, doch der Thronsaal selbst lag in tiefen Schatten, in konturlosem Dunkel.

Farses atmete tief ein. Mit unbewegtem Blick fixierte er den feisten, vom Wohlleben verweichlichten Vertreter der Händlergilde. Brokatbesetzte Gewänder, den albernen Zierdolch. Mit einem kaum wahrnehmbaren Wink gab er den beiden Sklaven zu verstehen, daß sie ihre Arbeit wieder aufnehmen sollten. Der leichte Windzug, der nun seine Haut streifte, bot zwar kaum Linderung, verhinderte aber wenigstens, daß ihm der Schweiß in Bächen vom Körper rann, wie es bei diesem ekelerregenden Händler der Fall war. Farses haßte die Händler. Er war Staatsmann, Herrscher, Herrscher über die ganze Stadt und die gesamte Insel, deren Fruchtbarkeit sich einem prallen Füllhorn gleich über diesen Flecken Erdes ergossen hatte; er war Regent, eingesetzt von der Priesterschaft persönlich, kein feilschender Kriecher. Wann endlich würde die Händlergilde verstehen, daß ihre Spielchen nichts in der Politik zu suchen hatten? Nun, dieses erbarmungswürdige Exemplar würde es recht bald verstehen. "Vergaß er etwa, mit wem er redet, Krämer?! Weiß er nicht, was mit jenen geschieht, die es wagen, mir zu drohen? Ich sollte dich auf dem Platz der Acht Sternenräder auspeitschen lassen, vor dem Volk und den Sklaven!"

Farses genoß es, wie langsam alle Farbe aus dem schwammigen Gesicht des Händlers verschwand. "Mein gnädiger Herrscher, es... es lag mir fern, Euch zu drohen. Ich wollte Euch nur die Folgen Eures Handelns aufzeigen..." Der König erlaubte sich ein Lächeln, das geheuchelte Milde ausdrückte. "Sagt, zweifelt er an meinem Verstand? Glaubt er, ich könnte nicht selber die Folgen meines Handelns erkennen? Will er etwa andeuten, ich wäre ungeeignet für den Thron?" Wenn der Bote der Händler jemals einen Funken Selbstbeherrschung besessen hatte, war nun der letzte Rest davon verschwunden. Er kroch stammelnd und vor Verzweiflung winselnd vor dem Thron. Der auf dem Thron saß sah sich das Schauspiel noch einen Augenblick an und wedelte schließlich gelangweilt mit der Hand. "Verschwinde er, er ekelt mich an! Sein Anliegen ist abgelehnt."

Er ignorierte den Händler, der sich überschwenglich bedankte und auf den Knieen rückwärts zum Ausgang der Halle rutschte. Es wurde Zeit, daß diese Audienz ein Ende fand. Lüstern dachte Farses an Keo, ihre Brüste, ihre Schenkel. Er würde sie willig in seinem Gemach vorfinden, eine Vorstellung, die ihn genüßlich die breiten Lippen spitzen ließ. Mit Sicherheit erwartete sie ihn bereits. So sollte ein wahrer Mann bei dieser Hitze Zerstreuung finden, in einem schattigen Gemach bei einer sanften Mätresse - nicht wie diese widerlichen Höflinge und Gesandten, die verzweifelt versuchten die Aufmerksamkeit ihres Herrn zu erlangen und sich mühen, ihm nachzueifern. Leises Kichern und Getuschel rissen ihn aus seinen Träumen. Scheinbar waren diese aalglatten Speichellecker, namenlose Jungspunde allesamt, sehr amüsiert über den Abgang des Vertreters der ach so mächtigen Handelsgilde. "Hat es ihnen gefallen?" Des Herrschers Stimme troff vor Sarkasmus. "Habe ich sie erheitert?" Langsam wurde er lauter, bis er sogar im Vestibül zu hören war. "Ihr Götter, das erfreut mein Herz doch sehr, vielleicht sollte ich das ganze wiederholen!" Stille ergriff die Halle.

Keiner wagte es sich zu rühren. "Ach, hinaus mit euch!" Eiligst zogen sich die Höflinge zurück, bis schließlich nur noch die beiden Sklaven in ihrer Ecke hockten. "Los, verschwindet!" Wütend scheuchte er auch sie hinaus. Ja, es wurde wirklich Zeit, daß er zu seiner Gespielin kam. Noch immer zornig stemmte er sich vom Thron hoch und stieg langsam die Stufen zum Marmor des Hallenbodens hinab. Ein leises Scharren drang an sein Ohr, wie der Klang von Sandalen aus blankem Stein. "Bei allen Mächten, kann es soviel Dreistigkeit geben? Wer wagt es, in meiner Halle zu verweilen, obwohl ich die Audienz beendet habe?" Farses glühte vor Wut. Wollte das denn heute gar kein Ende nehmen? Wahrscheinlich wieder einer von den vielen Patriziersöhnen, der irgendeine besondere Gunst erbitten wollte! Leise lachend trat die Gestalt zwischen den Säulen hervor.

Das Lachen ließ Farses trotz der drückenden Hitze frösteln. Das durfte nicht sein! Doch es gab keinen Zweifel. Farses stürtze sich geradezu in den Staub des Marmorbodens. Er nahm die Schmerzen nicht war, die der harte Boden seinen Knien und seinem Kopf antat. Solche Schmerzen waren lächerlich gegen das, was ihm dank seiner Dummheit nun drohte. Er wand sich stammelnd vor den Füßen seines Gegenübers. "Vergebt mir, edelster Gebieter, vergebt Eurem Sklaven. Ich wußte doch nicht, daß Ihr es seid." "Farses, gestattete ich dir, mich anzusprechen?" Die sanfte, schmeichelnde Stimme ließ Farses erstarren. "Nein, Farses, ich habe dir nicht erlaubt, das Wort an mich zu richten..." Die Spitze eines Stiefels erschien in seinem Blickfeld. "Farses, du enttäuschst mich. Es scheint fast, als müßte ich dich bestrafen." Wimmernd begann Farses den Stiefel zu küssen. "Ah, ein wenig Demut ist ihm also doch geblieben, das gibt doch Anlaß zu Hoffnung..." Farses floß über vor Glück und Erleichterung. Es bestand noch Hoffnung, den Fehler wieder gut zu machen; er hatte seinen Herrn noch nicht zu sehr enttäuscht. Er besaß noch einen Wert. Inbrünstig ergriff er den Stiefel.

"Farses, du machst deine Sache recht gut. Du bist gelehrig, das ist gut." Er konnte sein Glück nicht fassen. Sein Herr lobte ihn. Farses verlor fast die Besinnung vor Glück. "Ja, du hast wirklich gut umgesetzt was ich dir befohlen hatte. Sei unbesorgt, es war gut, daß du den Händlern eine Lektion erteilt hast. Sie sind schwach, du kannst sie vernichten, du brauchst sie nicht. Du wirst schon sehen, sie werden angekrochen kommen und winseln. Und auch der Kornpreis mag dich nicht scheren: Der Westen wird erneut von Kämpfen verheert. Es wird mehr Sklaven geben als bisher. Bald sind sie so billig, daß das Korn nebensächlich ist. Sollen sie sich neue Sklaven kaufen, statt überteuerten Kornes." Farses erkannte die unendliche Weisheit in den Worten seines Herrn. "Du siehst, Farses, alles entwickelt sich hervorragend, so wie es sein soll. Du wirst dich weiterhin auf die Schlachten kommender Tage vorbereiten und dein Heer stählen. Die Armee muß einsatzbereit sein, wann immer ich sie rufe. Du bist doch Manns genug, dies zu erfüllen, oder?" Farses nickte unter Freudentränen. Seine Stirn schabte schmerzhaft über den harten Boden, aber das war ihm egal. Er konnte seinem Herrn dienen, das war es was zählte, nur das.

"Gut, Farses, ich werde wieder erscheinen, wenn es neue Order für dich gibt." Farses sah den Stiefel verschwinden und hörte die Absätze auf den Marmor. Er konnte sein Glück nicht begreifen. Sein Herr hatte ihn nicht geschlagen. Er hatte ihn nicht bestraft. Nun würde er endlich zu Keo eilen können und danach sofort die Befehle seines Herrn in die Tat umsetzen. Da ertönte noch einmal die Stimme seines Gebieters vom großen Portal herüber: "Farses, eines ist noch wichtig. Deine kleine Freundin könnte eine Gefahr für uns werden. Sie verwirrt Deine Sinne. Sie muß sterben.

Du wirst das selber erledigen, Farses."



© Christian Fricke



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Letzte Änderung: 1.11.2001

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