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Geschäfte Botschaften aus Landoria Das tobende Gebrüll des Volkes verstummte allmählich. Die Sklaven streuten Sand auf die dreckig dunkelroten Blutlachen am Boden der Arena. Das war notwendig, schließlich wollte niemand, daß der folgende Kampf vorzeitig endete, weil einer der Kämpfenden auf dem glitschigen Untergrund das Gleichgewicht verlor. Das Volk wollte spannende Kämpfe sehen, und vom nächsten Gefecht versprach man sich viel. Ein verurteilter Mörder trat gegen den Publikumsliebling Dorgenos an. Renos aber hatte andere Sorgen. Ungeduldig sah er sich um. Die Patrizierloge verschafft ihm einen hervorragenden Blick über die gesamte Arena, aber er konnte dennoch seinen Verwalter Horandes nicht erspähen. Mit seinen Gedanken weit entfernt vom Treiben in der Arena wies er einen Sklaven fahig an, kandierte Früchte zu holen. Während der Sklave nach einem der Verkäufer Ausschau hielt, die sich mit ihren Bauchläden durch die Reihen zwängten, sah Renos endlich seinen Verwalter. Horandes, der sich die letzten Stufen zur Loge heraufquälte, machte ein unheilverkündenes Gesicht. "Und? So schlimm?" "Viel schlimmer, mein Herr. Es wird Krieg geben!" Das waren allerdings höchst unerfreuliche Nachrichten. Also hatte der Narr Farses nicht auf die Bitten seiner Händler gehört. "Herr, Farses von Atarea rüstet weiter und unser Botschafter wurde nicht einmal angehört. Farses hetzt das Volk auf! Wie es heißt, hat man in Atarea die Freundschaft zu unserer schönen Stadt bereits vergessen." Das war zu erwarten gewesen, das Volk war leicht zu lenken, wenn man es verstand, mit Gewalt und Güte jeweils zur rechten Zeit zu handeln. Unten in der Arena hatte der Kampf inzwischen begonnen. Der Verurteilte setzte dem Favoriten gewaltig zu. Es sah ganz nach einem Überraschungssieg aus. "Nun gut, dann sollten wir uns an Demeros wenden, wir haben ihm seinerzeit zu Macht und Reichtum verholfen. Er dürfte noch einiges an Einfluß haben. Wenn nötig," setzte er mit schmallippigem Lächeln hinzu, "müssen wir ihn daran erinnern, mit wessen Gold er seinen Palast erbaut hat." Horandes verzog schmerzhaft das Gesicht. Das mochte daran liegen, daß der Favorit unten in der Arena gerade durch einen überraschenden Hieb sein Schild verloren hatte, welcher nun durch den Sand schlurrte, doch Renos wußte, daß derartige Kämpfe nur höchst selten in den beschäftigten Geist seines treuen Verwalters vordrangen. " Irgendwelche Probleme mit Demeros?" "Ja Herr, ich fürchte es gibt Probleme mit Demeros. Er reagierte nicht auf meine letzte Botschaft, und der Bote wurde auch nicht zu ihm vorgelassen. Aus wenig vertrauenswürdigen Quellen kam mir sogar zu Ohren, Demeros sei ermordet worden." "Verdammt sei dieser Farses!" Renos sah weiterhin dem Kampf in der Arena zu, wenn seine Gedanken auch bei ganz anderen Problemen weilten. Genau wie der Gladiator Dorgenos suchte er angestrengt einen Weg, mit seinem erstaunlich fähigen Gegner fertig zu werden. Der Gladiator versuchte es mit den schnellen Seitenhieben, die ihm schon oft zum Sieg verholfen hatten, kam aber mit dieser Taktik nicht recht voran. "Sagt, Horandes, wie stehen die anderen Patrizier zu den Geschehnissen?" "Zurückhaltend, sie haben ja auch nicht so viel zu verlieren. Einzig Seranes hat seine Unterstützung angedeutet. Wir werden wohl mit seiner Hilfe rechnen können." Nun ja, das war besser als nichts. Die übrigen Patrizier wollten sich also nicht zu weit vorwagen. Es lag an ihm zu handeln. Wenn die Situation klarer wurde, würden auch sie Stellung beziehen. Blieb die Frage, wie man die Lage wieder in eine beherrschbare Richtung wenden konnte. "Mein Vater," hob Renos an, "pflegte zu sagen: Wenn ein Wagen außer Kontrolle gerät, so kann man die Pferde laufen lassen oder sie zum Stehen bringen. Wenn man sich nicht für eines entscheidet, bricht man sich das Genick." "Herr, ich verstehe nicht recht..." "Egal was wir tun, wir müssen es richtig tun - wir können nicht zaghaft einen Mittelweg versuchen. Also, haben wir noch jemanden am Hofe von Atarea, der genügend Einfluß ausüben kann, um unsere Geschäfte auch im Falle eines Krieges am Laufen zu halten?" "Das ist sehr fraglich. Xerotes wurde bei seiner letzten Audienz derart eingeschüchtert, daß er kaum mehr als höfliche Floskeln zu bieten hat; und der Hauptmann der Garde hat unseren zweiten Mann an die südliche Grenze geschickt, wo er nun einen Handelsposten schützen soll." Sie waren ausgestochen worden. Irgendwer hatte ihren Einfluß still und heimlich ausgelöscht, doch Farses war zu solcher Feinarbeit sicher nicht in der Lage. Grübelnd ließ er seinen Bick wieder in die Arena schweifen. Der Mörder hielt sich immer noch erstaunlich gut. Zur Zeit schien es ausgeglichen. Der Verbrecher reagierte zwar auf alle Schläge gekonnt, brachte seinerseits jedoch kaum etwas zustande. Es schien fast, als hätte ihn sein Ausbilder in den wenigen Tagen vor diesem Kampf seltsamerweise bis zum Umfallen auf die typischen Schläge des Gladiators gedrillt - oder als wüchse er in diesem Kampf schier über sich hinaus. Wenn Dorgenos diesen Kampf gewinnen wollte, mußte er sich etwas Unerwartetes einfallen lassen. Er mußte auf eine Weise angreifen, die niemand von ihm erwartete... Das brachte Renos auf eine Idee. Unerwartet hart zuschlagen, vielleicht war das die Lösung. "Horandes, es scheint, als gingen uns die Möglichkeiten aus. Sagt, befindet sich Der Erleuchtete in der Arena?" Sein treuer Verwalter verzog keine Mine und nickte nur. Auf einen Wink seines Herrn machte er sich auf den Weg. Renos wandte sich wieder dem Kampf in der Arena zu. Der Gladiator hatte es irgendwie geschafft, seinen Schild wieder zu ergreifen. Nun umschlich er den Mörder in geduckter Haltung, bereit, bei einer günstigen Gelegenheit zuzuschlagen. Er hatte seine Taktik geändert. Ein Schlag, hart und unerwartet, sollte ihm den Sieg bringen. Der Mörder schien dies jedoch nicht zu erkennen. Er deckte immer noch seine Flanken. Das würde die Entscheidung bringen, da war sich Renos sicher. Er griff in Gedanken versunken nach den gedörrten Früchten, die sein Sklave während des Gesprächs mit Horandes auf die Lehne des großzügigen Patriziersitzes gestellt haben mußte. Gespannt wartete er darauf, daß der Gladiator zum Angriff überging. So schreckte er zusammen, als eine leise, aber durchdringende Stimme durch den allgemeinen Lärm an sein Ohr drang. "Der Erleuchtete spricht durch mich, Renos aus dem Hause Terades." Es dauerte einen Moment bis Renos sich wieder gesammelt hatte: "Es erfreut mein Herz, daß der Erleuchtete bereit ist, mir eines seiner vielen Ohren zu leihen." Renos schenkte seinem Gegenüber ein bittersüßes Lächeln. Das sollte diesem Handlanger klargemacht haben, wie er über derartiges Verhalten dachte. Der Erleuchtete selbst mochte es wagen, ihn derart zu erschrecken - aber sicher keiner seiner Diener! "Der Erleuchtete erinnert sich sicherlich noch an die großzügige Hilfe, die ihm schon so oft von uns zuteil wurde..." Nun war es an seinem Gegenüber, ein süßsaures Grinsen zu zeigen: "Der Erleuchtete wird dies sicher bedenken, wenn er den Preis für Eure Bitte festlegt. Worum geht es?" Renos Blick schweifte wieder zur Arena, wo der Kampf langsam wieder in Bewegung kam. Offensichtlich hatte sich der Gladiator für einen endgültigen Angriff entschieden. Zwar schlug er immer noch auf die für ihn typische Weise zu, aber die Bewegungen wurden gezielter. "Ihr kennt König Farses von Atarea?" Renos wandte den Blick nicht vom Geschehen in der Arena ab. Der Gladiator sprang plötzlich vor, tauchte unter dem verblüfft emporgerissenen Säbel des Verurteilten hindurch und rammte sein Schwert in das linke Bein des Mörders, das Stützbein - ein Angriff, wie man ihn kaum hätte erwarten können. Der Mörder ging zu Boden, und wenige Plätze vor ihm erhob sich der Hohepriester des Eho um das Urteil des Volkes. "Der Erleuchtete kennt Farses, was ist euer Wunsch?" Renos blickte seinem Gegenüber in die Augen: "Ich wünsche seinen..." Der Rest des Satzes ging im Gebrüll des Volkes unter, das sein Urteil fällte."Tod!" hallte es durch die alten Mauern der Arena, "Tod, Tod, Tod!". Der Erleuchtete wußte, was zu tun war. © Christian Fricke ![]() |
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