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Sirala Sirala trauerte. Ein silbrig glänzender Tropfen entsprang ihrem rechten Auge. Geschwind zeichnete er die sanften Linien ihres Gesichts nach, um schließlich kurz zu verweilen. Dann löste er sich von ihrer zarten Haut und fiel hernieder. Eine halbe Ewigkeit schien er zu fallen. So schnell wie er entsprang endete sein Leben im Ozean des Badewassers. Nur seichte Wellen zeugten noch von seiner kurzen Existenz, dann verschwanden auch sie. Ein leises Geräusch an der Tür ließ Sirala aus ihren Gedanken hochschrecken. Ein, zwei schnelle Handbewegungen und die Zeichen ihrer Trauer waren hinfort. Sacht wurde die Tür geöffnet, erst einen Spalt nur, dann trat mutiger geworden Marya ein. Siralas Zofe betrachtete ihre Herrin etwas zögerlich. ?Herrin?, haucht sie mit leiser Stimme. Sirala wendete langsam ihren Kopf, ließ ihren Blick über Maryas Gesicht wandern. Marya war eine treue Freundin, sorgte sich stets um das Wohlergehen ihrer Herrin weit über das Maß ihrer Arbeit hinaus. Wieviel mehr wollte sie Marya von ihrer Freundschaft zurückgeben, doch die strengen Regeln ihres Hauses verboten dies. Schon ihre gedankenlose Freundlichkeit brachte Sirala häufig strenge Blicke ihres Vaters ein. ?Herrin, ihr badet schon eine Weile, das Wasser ist sicher längst kalt. Euer zukünftiger Mann wird bald eintreffen und dann müßt ihr bereit sein.? Die Verachtung, die Marya in das Wort Mann legte, spiegelte nur zu deutlich Siralas Elend wieder. Sie mußte sich vorbereiten, denn heute würde ihr Vater seine Zustimmung bekanntgeben. Erneut wanderte ihr Blick über Maryas schlanke Gestalt. Ihr Vater, er allein wußte, warum diese strengen Regel den persönlichen Kontakt mit Dienern verboten. Ihr Vater, Sohn einer Gewöhnlichen, wollte, daß solch ein Vorfall nie wieder in diesem Hause geschehen sollte. Das stolze Haus Nishrai, eines der großen Häuser Nir?alenars, durfte sich keine Blöße geben. Zaghaft berührte Maryas Hand ihre Wange, fuhr tröstend die feinen Linien nach. ?Herrin, bitte kommt aus dem Wasser.? Maryas Worte drängten Sirala, zu Verstand zu kommen, drängten sie, sich nicht zu grämen. Jedes andere Mitglied der Familie hätte Marya längst für ihre Dreistigkeit bestraft, nicht jedoch Sirala. Hier waren sie allein, ungestört konnten sie ihre Freundschaft genießen. Mit traurigem Blick schaute Marya zu ihrer Herrin. Tapfere Sirala, arme Sirala. Marya wußte genau um die Regeln des Hauses, wußte wie schwer es ihrer Herrin fiel nicht zurückgeben zu können, was sie erhielt. Die kühle Distanz, die sie wahren mußte, schmerzte sie beide. Sachte erhob sich Sirala, feine Tropfen perlten von ihrem Körper, jeder einzige erschien ihr ein Symbol, als vergieße auch ihre Haut Tränen. Mit gewohnten Handgriffen schlang Marya ein großes Tuch um ihre Herrin und half ihr dann in einen losen Umhang. Sachte führte sie Sirala zu einem Schemel direkt vor einen kunstvoll verzierten Spiegel, um sie auf die Begegnung mit ihrem zukünftigen Ehegatten vorzubereiten. Schweigend legte sie die Kosmetik auf, eine feine Schicht Puder, ein wenig Farbe für die Lippen, Sirala nahm alles still und reglos hin. Ihre Gedanken wanderten zu dem Tag, an dem sie einst Ehnbes Yaskar zum ersten mal begegnet war. Es war ein trüber Tag unter Kuppel, ein schlichtes Fest, ausgerichtet von den Donnerfausts, sollte stattfinden, um ein wenig Zerstreuung zu bieten. Sirala wollte nicht an diesem Fest teilnehmen, doch wie in so vielen Belangen erzwang ihr Vater seinen Willen. Er wußte genau von ihrer freundlichen Art gegenüber den Bediensteten und drohte ihr einmal mehr, jeden, den sie freundlich behandele zu strafen, wenn sie nicht das Fest besuchen würde. Also erfüllte sie ihre Pflicht und besuchte die Festlichkeit. Ein schlichtes Fest bedeutet bei den Donnerfausts nicht weniger als ein pompöser Ball, ausgeschmückt mit allem, was man sich einfallen lassen kann. Die große Festhalle, welche seit jeher dem Adel für seine Vergnügungen diente, war erfüllt von Musik und fröhlichem Gelächter, dessen Falschheit einfach nicht zu überhören war. Es grauste ihr dort hineinzugehen und Frohgemut vorzutäuschen. Die meisten ihrer Standesgenossen ekelten sie an, ihre pure Arroganz, der gespielte Edelmut, wenig nur ließe sich an ihnen finden, das positiv zu nennen wäre. Den Eingang zu Halle bildete ein verschwenderischer Tunnel aus Rosen, dessen Duft so intensiv überwältigend war, wie der faulen Fleisches. Mühsam beherrscht durchquerte sie diesen Gang und staunte einmal mehr, mit welchem Aufwand, aber auch unglaublicher Kunstfertigkeit, das Haus Donnerstein es verstand ein Fest auszurichten. Aufwendige Verzierungen und Schmuck säumten jede Wand, eine Empore war errichtet worden, auf der ein paar ausgewählte Musiker ihr Bestes gaben. Er mußte sie jetzt schon erblickt haben, denn später fiel ihr auf, daß der Anblick des jungen Mannes ihr seltsam vertraut vorkam, als hätte sie ihn die ganze Zeit gesehen und doch nicht wahrgenommen. Langsam wanderte Sirala durch die Ansammlungen von Adeligen, die sie freundlich, aber distanziert begrüßte. Ein leiser Hoffnungsschimmer war ihr noch geblieben, selten zwar, aber doch manchmal, erschienen einige der unverdorbeneren Adeligen auf diesen dekadenten Festen. Besonders Mitglieder des Hauses Falkenauge und Onoris traf Sirala gern, denn mit ihnen konnte man noch ungezwungen reden, ohne Falschheit und vorgespielte Erheiterung. Auf der Suche nach einem angenehmen Gesprächspartner wanderte sie durch die Reihen, blind für die Blicke, die ihr folgten, blind auch für das Interesse eines jungen Mannes. Der Abend wollte nicht vergehen und das Glück war nicht auf ihrer Seite gewesen, neben einigen Scherzen auf ihre Kosten, die sie seitens Lady Brina Donnerfaust erdulden mußte, hatte sich nur das üblich belanglose Geschwätz ergeben. So sonderte sie sich ein wenig ab, um einen Augenblick die Ruhe vor den Gesprächen zu suchen. In dieser Ruhe fiel ihr zum ersten mal am Abend ein junger Mann auf, der sich gerade gut zu amüsieren schien. Immer wieder starrte er zu ihr herüber und sein Anblick wirkte bekannt, aber auch irgendwie beunruhigend. Schnell blickte sie hinfort. Doch ihre Reaktion reizte ihn nur noch mehr und so begab er sich zu ihr herüber. ?Meine Dame, ihr steht allein hier und scheint euch zu langweilen, wenn ihr erlaubt, würde ich gerne einen Tanz mit euch wagen. Aber natürlich nur, wenn euch Ehnbes Yaskar für diese Aufgabe gut genug ist.? Ein freches Grinsen schrie ihr geradezu seine Verlogenheit zu und seine Augen sprachen eine deutlich Sprache. In ihnen stand Gier, pures Verlangen sie zu besitzen. Nach einem unbehaglichen Schauder, sah sich Sirala gezwungen das Angebot aus Höflichkeit anzunehmen. Den Rest des Abends prägten verschwommene Erinnerungen und eine ungreifbare Furcht, die sich erst legte, als sie sich in ihrem Heim in Sicherheit wähnte. ?Herrin??, Marya starrte Sirala an, ?Herrin? Geht es euch gut??. Tränen hatten Maryas Bemühungen zunichte gemacht. Langsam nur tauchte Sirala aus ihren Erinnerungen auf, betrachtete ihr Spiegelbild, das Bild einer Fremden. Mit einem stillen Seufzer ging Marya erneut ans Werk, leise Worte des Trostes wispernd. © Carsten Bockelmann ![]() |
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