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Unterwelt-Quellenbuch
Shadowrun

Es gibt eine Menge Möglichkeiten, im Jahre 2060 Geld zu verdienen. Nicht alle davon sind legal, und nicht jeder Nuyen wird im Alleingang verdient. Zwar der kleinere Teil, aber immer noch eine erkleckliche Summe der organisiert-illegalen Geschäfte wiederum wird nicht von Konzernen geführt, und was nach all diesen Ausschlüssen noch übrig bleibt, nennt man wohl »organisiertes Verbechen«.Das Unterwelt-Quellenbuch, just und damit mehr als drei Jahre später als das Original erschienen, befaßt sich mit den »Global Players« dieser Wirtschaftsform. Mafia und Yakuza, Triaden und Seoulpa-Ringe werden erst aus der Sicht fachmännischer Straßenkontakte vorgestellt und in einem zweiten Teil spielleitergerecht aufbereitet. Recht detailliert erfährt man, mit welchen Geschäften man wie Geld verdient, welche dieser Organisationen wo Schwerpunkte setzen und wie all diese ehrenwerten Vereinigungen und Familien überhaupt entstanden sind. Eine Stärke des Buches liegt nun eindeutig in diesem Bereich. Zwar weiß jeder Spielleiterin, daß Mafiosi immer heiser sprechen und sich wundern, wie jemand mit einem Messer zu einer Schießerei kommen kann. Ebenso ist es gute Allgemeinbildung, daß Yakuza-Soldaten teure Anzüge zu reglosen Gesichtern (wahlweise: Perma-Lächeln) tragen und aus der Starre heraus blitzartig töten. Jenseits solcher Abziehbilder aber wird es dünn mit der Information, die wir ja ohnehin alle Martin Scorsese verdanken, und über Tongs, Triaden, Seoulpa-Ringe wissen auch Kinofans nur wenig.
Ergänzt wird Unterwelt durch einige Organigramme und Namen dieser Großen Jungs sowie ein Kapitel mit Exoten und den etwas kleineren Buben: Gangs und regionale Syndikate.
Insgesamt also ist dieses Buch durchaus solide Kost. Sprachlich (im Original wie in der Übersetzung) nicht herausragend oder besonders unterhaltsam, ist es im Wesentlichen ein Sachbuch, das Informationen vermittelt. Das offensichtliche Alter ist hier ein Vorteil: Ein reines Quellenbuch ohne »Primärquellen«, wie es der neue Stil zu sein scheint, ist es zum Glück nicht. Runner, Schieber und Gangster kommen im Text wie im Shadowtalk üppig zur Sprache. Optisch sieht die Sache schon mehr nach Astronautennahrung aus. Um sich auf die (druckbedingt günstigen) 120 Seiten beschränken zu können, hat man schon arg pressen müssen. »Bleiwüstiges Augenpulver« wäre wohl ein angemessener Ausdruck. Schrift, zu kleine Ränder allenthalben und wenige Illustrationen erwecken den Eindruck von ziemlich viel Text in ziemlich wenig Buch (für, auch das soll gesagt sein, bedauerlich üblich viel Geld). Daß man dem Cover das Austrittsloch auf der Opfer-Stirn wegretouchiert hat, ist verständlich; daß es so deutlich sichtbar ist, allerdings nicht, wiewohl tatsächlich völlig unwichtig.
Es liegt aber dennoch nicht an dieser insgesamt etwas unbefriedigenden Machart, der man den Sparzwang so deutlich anmerkt, daß das Buch einen flauen Eindruck hinterläßt.
Zunächst einmal sind die Informationen einige Jahre alt. Soweit es die grund­sätzlichen Ideen und Informationen betrifft, ist das herzlich egal. Solche Dinge wie Marktanteile aber oder gar Namen und aktuelle Bündnisse dürften nach diesen Jahren kaum noch aktuell sein. Dies gilt um so mehr, als daß die Zeit von 2057 bis heute ja nicht nur die Beben nach Dunkelzahns Tod, sondern einen kompletten Konzernkrieg und das Auftauchen einer machtbessesenen KI erlebten. Mehr als nur Details dürften also einfach veraltet sein, was Spielleiter vor eine (zugegeben durchaus lösbare) Aufgabe stellt, die dieses Buch mit einer aktuellen Kampagne verknüpfen wollen.
Für diejenigen, die sich zumeist in deutschen Landen durch die Schatten bewegen, hält dieses Buch überhaupt nur sehr wenig bereit. Neben dem kurzen Anhang der deutschen Redaktion sind es nur die grundsätzlichen Dinge (und bei regional unterschiedlichen Organisationen wie der Mafia sogar diese nur begrenzt), die von Interesse sind. Die alte Welt spielt in Unterwelt schlicht keine Rolle.
Dieser deutsche Anhang hat zu guter Letzt dann durchaus seine Eigenheiten. Was die Aktualisierung des entsprechenden Kapitelchens von Deutschland in den Schatten angeht, können weder die Fragestellung noch die Antwort überzeugen. Unbestritten kann Deutschland in den Schatten und damit auch die dortige Darstellung der Kriminalität ein Update und die eine oder andere Korrektur dringend vertragen. Mit der gewählten »Es war eigentlich immer schon ganz anders«-Methode aber hat man das falsche Problem falsch gelöst und dies nicht einmal glaubwürdig begründet. Was an dieser Stelle an Fragen offen blieb (und an Korrekturbedarf entstand), wird aber wohl im nächsten Deutschlandquellenband ausführlicher beantwortet. Dem Vernehmen nach erscheint dieser allerdings nicht, wie wohl ursprünglich geplant, zur SPIEL im Oktober, sondern erst im kommenden Jahr?
Der Rest des deutschen Beitrages widmet sich dann dem deutschen Gangwesen mit dem bemerkenswerten Faktum, daß auch die Elfengang der Zukunft genau wie die Motorradgang der Gegenwart eine deutsche Filiale unterhält, sowie einer Bande durchgeknallter Karnevalisten. Mit der Ex-Stasi und der Ex-SS bekommt das blühende Wesen deutscher Geheimgesellschaften noch weiteren Zuwachs, der uns sicherlich im besagten vierten deutschen Quellenband weiter begegnen wird.
Wie jede Publikation hat dieses Buch starke und schwache Seiten. Die starke beruht auf dem »klassischen Stil« mit Shadowtalks und Runnertexten, den wir hoffentlich in Zukunft wieder sehen werden, und darauf, daß das Original ein handwerklich gut gemachtes Quellenbuch ist. Die schwache Seite ist neben dem eingeschränkten Thema eindeutig das Alter und die Tatsache, daß Original wie deutsche Version nur für UCAS-Spielgruppen überhaupt von mehr als flüchtigem Interesse sein dürfte. Kann man lesen, muß man aber nicht haben.


Dieser Artikel wurde in der Mephisto abgedruckt
und erscheint mit freundlicher Genehmigung der Mephisto Redaktion



Kurzübersicht

  • Verlag: Fantasy Productions

  • Autor: Stephen Kenson u.a.

  • Artikelnummer: FP10750

  • Umfang: 120 Seiten, Softcover

  • Preis: 18,41 EURO

  • Produktübersicht für Fantasy Productions

  • Das Schwarze Auge - 4te Edition
  • Unterwelt-Quellenbuch
  • Die Herren von Chorhop
  • Schwerter und Helden
  • Zauberei und Hexenwerk
  • Der Preis der Macht
  • Wald der Gräber
  • Die Herren von Chorhop
  • Dokumente

  • © Guido Hölker (für Mephisto)



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    Letzte Änderung: 31.1.2002